Geomantieseminar, eine Woche lang am heiligen Berg Europas. Uralte Kultstätte, größter Kraftort. So groß ist die Mystik, so geheimnisvoll die alten Kulte um diese kraftvollen und so numinosen Plätze, Felsen, Schalensteine, Höhlen. Eine Reisebericht, auf vielen Ebenen.
Odilienberg, alter Kultort
Der Mont Sainte Odile in den französischen Vogesen ist wohl einer der größten Kraftorte und Kultorte Europas. Der alte Name Altitona bezeichnet den hohen, aber auch erhabenen, heiligen Berg. Eng mit dem Mythos der heiligen Odilia verbunden, die noch heute als Schutzfigur der Gegend gilt, war der Berg wohl schon viele tausend Jahre zuvor Kultort. Seit dem 7. Jahrhundert exisitert auf der Kuppe des Berges ein Kloster, das von der heiligen Odilia gegründet wurde. Doch nahm Odilia, die noch aus der kelto-germanischen Kulturtradition stammte, in dieser frühchristlichen Zeit wohl eher noch die Funktion einer Schamanin, Priesterin, Heilerin ein. Auf einem Bärenfell schlafend mit einem Stein als Kopfkissen, beides in der Symbolik auch schamanische Elemente, zeigt sich Odilia als innig mit der Landschaft verwoben. So verkörpert sich in ihrer Figur die Landschaftsgöttin selbst. Die Mythologie um sie ist von Magie und magischen Handlungen durchwoben. Christliches und Schamanisch-Naturkultisches sind gleichermaßen präsent und verschmelzen miteinander.
Die Anzeichen einer kultischen Nutzung des Berges sind immens alt. Spuren reichen zurück bis in die Altsteinzeit. Die sogenannte Heidenmauer, die auf 10 km Länge die obere Kuppe des Plateauberges umgibt und ihn in drei Segmente teilt, ist die größte zusammenhängende Umhegung Europas. Es ist bis heute unklar, aus welcher Zeit oder Kultur sie stammt, und mit welchem Grund der immense Aufwand betrieben wurde, dieses gigantische Bauwerk zu errichten. Viele angestellte Überlegungen wie Verteidigung, Viehumhegung und ähnliches scheiden aus praktischen Gründen aus. So hat die Mauer wohl durchaus einen kultischen Hintergrund und war rituelle Umhegung eines heiligen Bezirks.
Innerhalb dieser Mauer gibt es auf dem Odilienberg im dichten und wirklich mystischem, märchenhaften Wald unzählige Orte, Felsformationen mit Schalensteinen, Grotten und ähnliche, die eine immense Kraft tragen und an denen die Schwellen zur nicht physischen Welt sehr dünn sind. Ein paar wichtige davon und meine Wahrnehmungen dazu beschreibe ich unten. Viel kosmische Information scheint hier einzuströmen, doch immer im Bezug zur Erde selbst, ihr zugewandt.
Sonne, Mond und Erde
Der Odilienberg steht vor allem in engem Bezug zum Prinzip des Lichts und der Sonne. Odilia selbst, die große Visionärin, einst blind geboren und sehend geworden, trägt in Abbildungen das Attribut eines Silbertabletts mit zwei darauf liegenden Augen. Das Auge ist seit jeher ein starkes Licht- und Bewusstseinsymbol, und ist noch heute in Kombination mit der Sonne im Wappen des Klosters zu finden. Odilias Name selbst bedeutet 'die edel Leuchtende'. Doch auch das Prinzip des Mondes findet sich in der Mythologie um Odilia gehäuft - in der Zahl 13, der Lilie im Wappen, dem Silbertablett, der keltischen Bärengöttin Artio, wobei der Bär auch immer eng mit der Erde und der Fruchtbarkeit im Zusammenhang stand. Sonne, Mond und Erde sind also in ihrer Dreiheit im Mythos der Odilia vertreten.
Die Aspekte der Göttin
Odilia ist in diesem Kontext nicht nur Heilige. Sie verkörpert die Landschaftsgöttin selbst, in ihrer Person hat sich sozusagen ein Landschaftgenius inkarniert. In der Dreiheit von Sonne, Mond und Erde finden sich ebenso die drei Aspekte der großen Göttin - der weißen, schwarzen und roten Göttin. Nach der Konzeption von Stefan Brönnle drückt sich diese Dreiheit geomantisch auch in den drei Abschnitten des Bereichs innerhalb der Heidenmauer aus. Während der mittlere Teil mit dem Kloster dem weißen Prinzip zugeordnet ist, wie auch Odilia selbst, die am meisten das geistige Prinzip und die weiße Göttin verkörpert, ist die Bloss als südlicher Teil des Plateaus dem roten Prinzip, und damit der Fruchtbarkeit, Kreativität und Lebenskraft zugeordnet. Der nördliche Teil mit Stollberg und Elsberg bzw. dem Feenplateau bzw. Hexentanzplatz verkörpert das schwarze Prinzip, und damit Tod, Wandlung und Transformation.
Orte, die auf uns wirken
Unser Geomantieseminar war gleichermaßen Initiationswoche. Jeden Tag begaben wir uns an verschiedene Orte am Berg, mal alleine, mal in der Gruppe. Es waren die Orte, die uns auf die Initiationsrituale vorbereiteten, aber letztlich vielleicht auch selbst mit die Initation waren. Sie durften wirken, an uns, durch uns. Durften berühren, was berührt werden wollte. Auflösen, was gehen wollte. Einprogrammieren, was sich manifestieren wollte. Wie folgt die Beschreibung und meine Wahrnehmung derer, die mich am meisten berührten.
Beckenfelsen
Der Beckenfelsen im weißen Bereich befindet sich relativ nah am Kloster im Wald und umfasst auf der physischen Ebene zwei Steintürme, in denen sich flache runde Steine wie Brotleibe aufeinanderschichten. Oben findet sich ein Schalenstein, der mit Wasser gefüllt wie ein Auge Gaias in den Himmel blickt. Geomantisch liegt hier ein Göttinnenfokus mit Schwerpunkt auf dem weißen Prinzip. Außerdem läuft hier eine Drachenlinie durch, die stark die geistige Urkraftebene und die Bewusstseinskraft Gaias trägt. Der Ort um den Beckenfelsen hat in meiner Wahrnehmung eine unglaublich feine, lichte, luftige, kristalline, vibrierende Qualität. Der dichte Erdäther, den solch große Felsformationen eigentlich um sich tragen sollten, ist für mich fast nicht wahrnehmbar. Das geistige Prinzip ist am Ort unglaublich präsent, kosmische Information scheint auf sehr sanfte Weise einzuströmen. Gleichzeitig reicht die Struktur in immense Erdtiefen, säulenartig scheint eine große Kraft aufzusteigen.
Kanapefelsen
Der Kanapefelsen im roten Bereich der Heidenmauer trägt in meiner Wahrnehmung eher die Urkraft auf der Lebenskraftebene der Erde. Die untere Körperhälfte und das Wurzelchakra sind sehr präsent und warm. Der Felsen liegt flach am Boden und hat mehrere natürliche Sitzmulden, die kutlisch wohl für unterschiedliche Zwecke genutzt worden sind. Geomantisch findet sich hier ein roter Göttinnenfokus.
Druidenhöhle
Bei der Druidenhöhle ist bis heute nicht klar, ob es sich um ein megalithisches Bauwerk oder eine natürliche Felsformation handelt. In meiner Wahrnehmung öffnet sich hier ein unglaublich großer, dunkelblauer Raum in große Bewusstseinstiefen - sanft, ruhig, unglaublich friedvoll, und zunächst mit sehr wenig Struktur. Doch ich selbst entfalte mich in einer Art Wabenstruktur wie ein Schmetterling heraus und in diesen Raum hinein. Ich nehme einen Bezug des Ortes zum Mond wahr, und außerdem lichte Gestalten - wohl lichte Ahnen, die am Ort präsent sind. In Kontakt mit diesen erscheint auf einmal eine immense Lichtsäule, die durch das Dunkelblau bis in den Kosmos reicht. Geomantisch finden sich auch hier ein Göttinnenfokus, eine Verbindungsley in Richtung Kloster sowie ein Ahnenraum.
Maennelstein
Der Maennelstein als große Felsformation am Südpunkt der Umhegung hat unglaublich viele Schalensteine und öffnet sich als Aussichtspunkt weit in die Landschaft. Er scheint einen starken Bezug zur Sonne und zum solaren Prinzip zu haben. So bedeutet sein Name men-el im keltischen oder protokeltischen Mond und Sonne, oder auch Fels und Sonne. Der Fels scheint auch Visurpunkt für Sonnen- oder Mondlinien zu sein. Der Mythologie zufolge soll hier die Arche Noah nach der Sintflut angelegt haben - ein Andocken an die Restordnung nach dem großen Urchaos. Der Maennelstein verkörpert also stark die Ordnungsprinzipien von Raum und Zeit. Für mich strömt an diesem Ort wie an keinem anderen kosmische Information ein, die sich inkarnieren will.
Ettichogrotte
Die Ettichogrotte im schwarzen Bereich der Heidenmauer ist ein wunderbarer Zugang zur Unterwelt. Sofort öffnen sich große, samtschwarze Tiefen mit einer großen Beseeltheit, Weichheit, Wärme, Geborgenheit, umhüllt von kristallinem Licht. Mir zeigte sich ein großes, ebenso schwarzes und weiches Auge, in dem ich schließlich zu sitzen scheine.
Feenplateau
Das Feenplateu liegt eigentlich schon außerhalb der Heidenmauer, kann aber trotzdem noch dem schwarzen Bereich des Berges zugeordnet werden. Der Riesenfelsen dient hier als Wächterstein zum Raum der 'Feen', der sich dahinter öffnet. Lichte Ahnen sind präsent. Im sogenannten Schmetterlingsfelsen finden sich wieder mehrere Schalen, eine davon so groß, dass man sich hineinlegen kann - und wohl auch lange schon kultisch genutzt.
Odilienkapelle
Die Odilienkapelle im Klosterbereich mag wohl so etwas wie das energetische Zentrum des ganzes Berges sein. Auch als Grabkapelle bezeichnet, liegen hier die Gebeine der Odilia bestattet. Der Raum ist meiner Wahrnehmung nach von einer unglaublichen Dichte und öffnet sich in ein unendliches Licht, das immer weiter ausströmt - aber nicht in die physische Landschaft, sondern jenseits von Zeit und Raum. Mag es am Silicium als Informationsträger in den Knochen der Odilia oder durch ihre so lange, immerwährende Anbetung hier am Ort sein, sie scheint wesenhaft präsent zu sein. Mich zieht der Raum in solche Bewusstseinsebenen, dass es wirklich schwer ist, sich wieder aus dem Magnetismus zu lösen. Sie scheint an einem zu arbeiten, und alles noch nicht Heile in unserem System zu berühren und aufzulösen.
Johanneskapelle
Die Johanneskapelle im Raum nebenan fühlt sich für mich mit ihrem niedrigen Gewölbe und vielen Kerzen und Farben an wie ein Urmutterbauch - dunkel, wässrig, geborgen, warm. Vor allem die Mittelsäule scheint eine immense Kraft abzustrahlen, die sehr auf der Ebene der Herzenergie schwingt und sich von hier als emotionales Zentrum in die Landschafft auszubreiten scheint.
Engelskapelle und Tränenkapelle
Die Engelskapelle und Tränenkapelle verkörpern für mich die Komplementäre von Feuer und Wasser, Yang und Ying, emotionaler und geistiger Qualität. Während die Tränenkapelle in meiner Wahrnehmung eine sehr wässrige, dunkle, geborgene, emotional abladende Qualität in großer Klarheit trägt - eine Klarheit, die nach vielen Tränen kommt - hat die Engelskapelle in ihrer feurig-luftigen Kraft eine riesige Strahlkraft, doch trotzdem in einer großen Ruhe und tiefen Liebe.
Der Berg in seiner Lichtstruktur
All diese Orte wirken, auf vielen Ebenen. Ohne unser Zutun, ohne unser Bewusstsein. Je mehr wir uns ihnen hingeben, desto intensiver. Eine Woche auf diesem heiligen Berg und die Initiationsrituale haben mein System komplett aufgelöst und neuprogrammiert, mehr dazu hier. Mont Sainte Odile, er ist so groß, ich konnte nur annähernd seine Tiefe erfassen. So groß ist die Mystik hinter all dem, so geheimnisvoll die alten Kulten um diese kraftvollen und so numinosen Plätze, Felsen, Schalen, Höhlen - in ihrer Einbindung zwischen Kosmos und Erde, als Mittler zwischen Geist und Materie.
Als ich am letzten Morgen nochmal in der Morgensonne am Turm der Odilia saß und mich mit dem Berg verband, erschien er mir wie ein riesiges Lichtwesen, wie ein Lichtgitternetz - als so viel mehr wie nur seine physische Gestalt.
Danke Laura, ich freue mich immer wieder über deine wunderbaren Beiträge.
Liebe Grüße, Carsten